ZVI 2024, 232

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2024 Report 

Stellungnahme des DAV: Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht

Der Deutsche Anwaltverein dankt zunächst für die mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 27. März 2024 eingeräumte Gelegenheit, sich hinsichtlich der Evaluation der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre äußern zu können. Es geht um die Frage, ob der Entwicklung des Insolvenzgeschehens seit dem 1. Oktober 2020 Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der verkürzten Verfahrensdauer und dem Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu entnehmen sind.

I. Zusammenfassung

Der Deutsche Anwaltverein kann weder durch seine insolvenzverwaltenden noch durch seine beratenden Mitglieder eine Veränderung des Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhaltens von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch die Verkürzung der Restschuldbefreiungszeit auf drei Jahre feststellen. Die Verkürzung wird vielmehr als eine motivierende Entlastung für die betroffenen Schuldnerinnen und Schuldner, aber auch als eine sinnvolle Entlastung der Insolvenzgerichte und der Insolvenzverwalterinnen/-verwalter wahrgenommen.

II. Entwicklung der Antragszahlen

Ein Blick auf die Antragszahlen zu den Verbraucherinsolvenzen der letzten Jahre zeigt zunächst für das Jahr 2010 den bisherigen Höchststand mit 106.290, der allgemein mit der weltweiten Finanzkrise des Jahres 2008 begründet wird. Die Zahlen sind nach diesem Höchststand kontinuierlich über 89.207 Verfahren in 2013 und 75.169 Verfahren in 2016 auf 60.832 Verfahren in 2019 zurückgegangen. Die Antragszahlen in 2020 von 40.502 und des Jahres 2021 von 78.615 können wegen des Abwartens der Betroffenen in 2020 und einem Nachholeffekt in 2021 außer Acht gelassen werden. Die Zahlen von 2022 mit 65.487 und 2023 mit 65.945 schließen unauffällig an die Zahlen vor der Verkürzung der Restschuldbefreiungszeit an und liegen auf dem Niveau des Jahres 2018.
Nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins zeigen diese Zahlen gerade im Verhältnis zur Zahl der überschuldeten Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland, die je nach Erhebungsart mit 6 bis 8 % der erwachsenen Bevölkerung angenommen wird, dass die Betroffenen eher verantwortungsvoll mit der Überschuldungssituation umgehen, erhebliche Bemühungen zur Schuldentilgung unternehmen und keineswegs leichtsinnig in die Restschuldbefreiungsverfahren gehen. An diesem Befund hat sich durch die Einführung der dreijährigen Restschuldbefreiungszeit nichts geändert.

III. Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln und Versagungen der Restschuldbefreiung

Der Deutsche Anwaltverein kann durch seine Mitglieder keine Erhöhung der Forderungsanmeldungen mit dem besonderen Forderungsgrund „aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln“ seit Inkrafttreten der Verkürzung feststellen. Auch die Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung verharren bei einer niedrigen Quote und werden nach wie vor in ungefähr 5 % der Verfahren gestellt. Unter diesen Aspekten lassen sich folglich keine besonderen Auswirkungen der Laufzeitverkürzung feststellen.

IV. Hindernisse durch die Praxis der Speicherung insolvenzbezogener Daten durch Auskunfteien für den wirtschaftlichen Neuanfang nach Restschuldbefreiung

Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember 2023 (Rs C-634/21, ZVI 2024, 94 und verb. Rs C-26/22, C-64/22, ZVI 2024, 52 (m. Anm. Heyer, S. 37) = ZRI 2024, 11) haben zur Selbstkorrektur durch die Auskunfteien geführt, die gespeicherten insolvenzbezogenen Daten nach gerichtlich erteilter Restschuldbefreiung nun nach 6 Monaten zu löschen. Weiterhin werden aber erst drei Jahre nach Erledigung Daten zu Forderungen gelöscht, die im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs, eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans oder eines Insolvenzplans erledigt werden. Diese Erledigungsarten, die für Schuldnerinnen und Schuldner und Gläubigerinnen und Gläubiger wirtschaftlich oft günstiger sind und die Insolvenzgerichte entlasten, werden durch diese Speicherpraxis und die mit ihr verbundenen Risiken unattraktiver. Der Deutsche Anwaltverein hält daher eine grundlegende gesetzliche Regelung zur Dauer der Speicherung von Daten aus den Insolvenzverfahren natürlicher Personen für erforderlich.

V. Vereinfachungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens

Der Deutsche Anwaltverein möchte die Gelegenheit dieser Anhörung nutzen, um auf eine aktuell geführte Diskussion zu weiteren Vereinfachungen der Verbraucherinsolvenzverfahren hinzuweisen:
Eine Arbeitsgruppe, die aus einem Workshop des Deutschen Insolvenzrechtstag hervorgegangen ist, sowie Prof. Dr. Hugo Grote haben hierzu in Veröffentlichungen ausführlich Vorschläge unterbreitet (ZVI 2023, 341, ZInsO 2023, 1748 und ZInsO 2023, 943), die überzeugend Wege in ein einfacheres Verbraucherinsolvenzverfahren aufzeigen. Im „Workshop 2“ des diesjährigen Deutschen Insolvenzrechtstags, an dem In-ZVI 2024, 233solvenzverwalterinnen/-verwalter, Schuldnerberaterinnen/-berater und Gläubigervertreterinnen/-vertreter teilgenommen haben, wurden folgende Vorschläge diskutiert und zur Abstimmung gestellt:
  • 87 % sprachen sich für eine Stärkung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach §§ 306 ff. InsO aus, das nur noch auf Antrag der Schuldner durchgeführt werden soll,
  • 100 % stimmten für eine dreimonatige Ausschlussfrist zur Forderungsanmeldung ab Verfahrenseröffnung in der Verbraucherinsolvenz,
  • 72 % waren dafür, in Verbraucherinsolvenzverfahren Forderungsanmeldungen, -prüfungen und -feststellungen nur dann vorzunehmen, wenn Ausschüttungen an die Gläubiger zu erwarten sind.

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